Die Martinskirche feiert Jubiläum: „150 Jahre Filderdom“
- Ein Abriss zur Geschichte des Filderdoms

Am 11. November 1855 wurde sie – nach aufwändigen Um- und Neubaumaßnahmen – nach den Plänen von Christian Friedrich Leins eingeweiht. Ganz im Sinne seiner Zeit wurde dem alten Dorfkirchlein, das nicht nur zu klein, sondern auch baufällig geworden war, eine radikale Verjüngungskur verordnet.

Entsprechend der im 19. Jahrhundert stark angewachsenen Bevölkerung Möhringens, der die neue Kirche auch genügend Platz bieten sollte, wurde das kleine baufällige Kirchenschiff (Mittelteil der Kirche zwischen Chor und Turm) abgerissen, und neu gebaut. Dabei wurde der Grundriss um zwei Seitenschiffe deutlich verbreitert und zwei Emporen in das neue, wesentlich höhere Kirchenschiff eingeplant. Dieser große Kirchenraum war durch die hohen und großen Fenster – entgegen der bisher eher dunklen Kirche – lichtdurchflutet, so wie es dem neugotischen Stil entsprach.

Bei dieser radikalen Veränderung der ehemals romanisch-gotischen Kirche durfte nur der mittelalterliche Chor und die unteren Stockwerke des Turmes stehen bleiben. Im Chor, wie auch im Turmgewölbe kann man noch heute die Jahreszahlen der jeweiligen Fertigung 1464 (1466, Turm) im Gewölbe lesen, auch wenn dies keineswegs den Zeitpunkt der ursprünglichen Kirche markiert. Dieser liegt deutlich früher, wie die Renovierungsarbeiten am Chor gezeigt haben.

Darüber hinaus geht man davon aus, dass es weitere Vorgängerbauten der Martinskirche gab, die möglicherweise schon im 7. Jahrhundert, spätestens jedoch im 9. Jahrhundert erbaut worden waren. Diese waren vermutlich noch nicht aus Stein, sondern in Holzbauweise ausgeführt worden. (Daher könnte man von ihnen – auch bei eventuellen Ausgrabungsarbeiten – keine Reste finden.)

Die Martinskirche, als neugotische Kathedrale, die nach langwierigen Verhandlungen mit dem Spital Esslingen über die Finanzierung dieser aufwändigen Kirche – der erst durch einen gewonnenen Rechtsstreit abgeschlossen wurde – begann 1852. Fertiggestellt wurde sie 1855.  Durch diesen vollständigen Um- und teilweisen Neubau bot sie ein imposantes Bild auf den Fildern – noch heute erhebt sie sich und prägt das Ortsbild Möhringens – wurde ihr schnell der Beiname „Filderdom“ gegeben. Sie war die größte Kirche auf den Fildern und die Möhringer redeten durchaus mit Stolz von ihrer Kirch. Die vielen Verzierungen der Kirche, die Fialen und Kreuzblumen, die sie ringsum an Turm, Kirchenschiff und Chor zierten, der 63 Meter hohe, spitze Turm, den eine gusseiserne Laterne unterhalb der Turmspitze weit nach oben streckte (heute ist der Turm noch etwa 60 Meter hoch) unterstrichen dies schon von außen, auch wenn – so alte Pfarrberichte – der Kirchgang der Möhringer zu wünschen übrig ließ.  

Dabei war auch ihr Inneres aufwändig gestaltet. Seien es die geschnitzten Emporenbrüstungen – oder bei der zweiten Empore, die aus Stein gemeißelten Brüstungen. Auch die Kanzel war ganz in dunklem (Eben- (?)) Holz gehalten und mit einem reich verzierten Kanzeldeckel versehen, dazu ein Kruzifixus am Altar, sowie die dazu passenden Holzbänke und das Chorgestühl. Auch das Orgelprospekt zeugte von einer gutdurchdachten und schlüssigen Idee bei der Umgestaltung der Martinskirche – von einer romanisch-gotischen Kirche – zur neugotischen Kathedrale auf den Fildern.

Doch nur wenige Jahre währte die ungeteilte Freude über diesen gelungenen Bau, war doch – insbesondere das südliche Seitenschiff – nur unzureichend gegründet worden, sodass starke Risse auftraten, die Reparaturen erforderlich machten. Erst eine grundlegende Sanierung im Jahr 1934/35 verschaffte der Kirchengemeinde diesbezüglich Ruhe.

Doch ein Fliegerangriff am 15./ 16. März 1944 traf nicht nur Möhringen schwer, sondern auch die Martinskirche. Durch einen zunächst kleinen Brand an der Turmspitze, der nicht gelöscht werden konnte, nahm das Unheil seinen Lauf. Die Turmspitze brach und fiel brennend ins Kirchenschiff, sodass die ganze Kirche ausbrannte.

Wenn man sich die Bilder von damals ansieht, kann man sich fast nicht vorstellen, dass darin  schon 1949 wieder Gottesdienst gefeiert wurde. Doch die Möhringer packten gemeinsam an, überwanden manche Hindernisse und vollendeten das Werk – nun freilich etwas weniger aufwändig. Auf die neugotische Zier am Kirchenschiff, Chor und Turm musste aus statischen und finanziellen Gründen weitgehend verzichtet werden.

In den Folgejahren wurde das Geläut wieder komplettiert, eine Orgel eingebaut und auch die beiden anderen Evang. Kirchen Möhringens – entsprechend der Vergrößerung des Ortes – neu gebaut: 1957 Christuskirche, 1968 Auferstehungskirche. Die Gesamtkirchengemeinde hat sich so den Entwicklungen, Möglichkeiten und Prognosen entsprechend weiterentwickelt.

Im Jahr 1999 machte das Landesdenkmalamt darauf aufmerksam, dass die Martinskirche außen baldmöglichst saniert werden müsse. Auch dieser Aufgabe hat sich die Gesamtkirchengemeinde gestellt und bis heute den „alten Teil“, nämlich den Chor und den Turm, renoviert. Dabei konnte dem Turm wieder etwas von seiner ursprünglichen Zier zurückgegeben werden, was viele Möhringer gerne unterstützt haben.

(M. Lieb)